das spiel gegen italien ist das eigentliche finale dieses turniers. das spielsystem unseres gegners und klinsmanns philosophie sind sich im grunde recht ähnlich. mit einem entscheidenden unterschied.

heute haben wir die chance, verdient weltmeister zu werden. warum? weil wir mit einer anderen, einer (hoffentlich!) überlegenen taktik als unsere gegner spielen, und zwar schon von anfang an.

schaut euch doch mal die letzten 10-15 spiele an, in denen es wirklich um was ging (gruppen-finale und k.o.-runde): fast alle teams spielen sozusagen "italienisch" - aus einer sicheren abwehr heraus den gegner kommen lassen, wichtig ist, das hinten die null steht (ital: "prima non prenere" - das wichtigste ist, keinen zu kassieren) und dann auf fehler des gegners lauern.

bei annähernd gleich guten (oder gleich schlechten ... ;-)) teams kommen dann toraumszenenearme taktikschlachten heraus wie bei ukraine-schweiz, england-portugal, frankreich-spanien, italien-australien und frankreich-brasilien, bis dann irgendwann eben doch ein tor fällt und der gegener aufmacht (italien-ukraine, frankreich-spanien) oder eben trotzdem nicht aufmacht (frankreich-brasilien ;D). oder es gibt elferschiessen.

das deutsche team - so erscheint es zumindest meinem äußerst laienhaften sachverstand - hat da eine andere philosophie. das wir das gegnerische spiel auch "zerstören" können, haben wir in den letzten jahrzehnten hinreichend bewiesen, und gegen die argentinier hat ja auch das gut geklappt (die super-kombinierer hatten keine gefährlichren szenen aus dem spiel heraus!). soweit so gut, das ist das spiel in der verteidigung.

das besondere an klinsmanns system ist, dass wir bei ballbesitz ständig druck auf den gegnerischen kasten ausüben. kein team spielt so offensiv-stark wie wir. egal ob mit geordnetem spielaufbau und laufen-passen-lücke-finden (aber: schnell und mit risikobereitschaft!) oder "konter/zweite-welle"-spiel bei balleroberung: der drang zum tor ist fast immer deutlich zu sehen und zu spüren. für klinsmann war das glaube ich von anfang an klar, denn für ein solches spiel braucht man die vielzitierte "überragende physis", die wir seit zwei jahren konsequent trainieren und gegen polen und gegen argentinien überzeugend auf dem platz unter beweis gestellt haben.

man vergleiche die bisherigen auftritte der deutschen mannschaft mit dem, was england, frankreich, portugal, brasilien, holland so bisher gezeigt haben. oder die spanier: die haben bis zum achtelfinale auch "unseren" fussball, begeisternden offensiv-fussball gespielt, dann aber den fehler gemacht, sich gegen frankriech hinten rein zu stellen und abzuwarten. und sowas kann gegen weltklasse-teams immer in die hose gehen. aber es ist schwer, dann erst bei rückstand auf widerstand umzuschalten. außerdem kann dann das führende team defensiver, risikoärmer spielen und es wird nochmal schwerer.

die italiener spielen wie gesagt schon immer so. nur weil die gerne espresso trinken und mit den händen reden ("südländer") haben die - entgegen der wahrnehmung der meisten - noch nie "südländischen" hurra-fussball gespielt, sondern aus stabiler defensive heraus agiert. quizfrage: das "klassische" italienische ergebnis ist ...? richtig, ein 1:0.

echten angriffsfussball sieht man von der squadra azzurra normalerweise nicht. haben sie auch nicht nötig, weil sie genau wissen, dass sie (a) geniale mittelfeld-spieler (pirlo, totti!) haben, die immer wieder tödliche pässe spielen können, und (b) über klassische knipser-stürmer verfügen, die aus anderthalb chancen zwei tore machen können (luca toni!!!). konterstark sind sie vorne auch (inzaghi, gilardino, toni, aber auch die außenverteidiger: zambrotta) und an langen konter-bällen aus dem mittelfeld heraus in die spitze mangelt es ebenfalls nicht.

daher muss die deutsche mannschaft in der tat von anfang an mit siegeswillen und offensive beginnen und damit nicht aufören, bis der schiri abpfeift. und genau so haben wir in diesem turmier bisher gespielt!

das "prima non prenere"-system spielt niemand so gut wie die italiener ("wer hat's erfunden...?"). also muss man dieses system halt "zerstören" und das macht man, in dem man den italienern einen einschänkt.

wenn uns das gegen die italiener gelingt, werden wir weltmeister, weil dann gelingt es uns gegen jeden anderen auch. die italiener sind für mich die (abgesehen von uns) stärkste mannschaft des turniers, und das waren sie schon von anfang an. die haben bisher ein einziges tor kassiert, und das war ein eigentor! übrigens: mit buffon haben die hinter ihrer super-abwehr auch noch einen absoluten weltklasse-goalie. das vergisst man leicht, weil der nur selten was zu halten kriegt. die beiden großchancen der ukraine hat er riesengroßartig pariert.

ich wünsche mir, dass unsere taktik (oder eben neu-fussballdeutsch: "philosophie") gewinnt, denn wir spielen den schöneren fussball. weltmeisterschaften sind trendsetter-veranstaltungen: es werden neue stars geboren und abseits des kommerziellen drucks im vereinsfussball ist auch mehr raum vorhanden, im turnier konkurriende spielsysteme gegeneinander antreten zu lassen. ich fände es nur konsequent, wenn klinsmanns "revolution" letztlich erfolgreich bleibt, weil dann hätte sich ein wirklich modernes system durchgestzt: eine starke und flexible defensive, gepaart mit extremer körperlicher beanspruchung (hey, es ist leistungssport!) und der konzentration auf das wichtigste für den sieg: das gegnerische tor zu treffen.

das ist die überlegenheit unseres systems: wir kombinieren die italienische defensiv-menalität mit angriffslust - eine wirklich ausgewogene taktik. und wir alle wissen, dass die richtige balance so ziemlich das wichtigste im leben ist. turniere gewinnt man in der defensive, spiele gewint man in der offensive.

"ohne fleiß kein preis" ist eine typisch deutsche weisheit.
"der wille zur bude macht den unterschied" könnte man dem für das heutige spiel hinzufügen. wer, wenn nicht wir kann die "German Angst" besiegen?

wir werden sehen. die einzig wahre fussballerweisheit ist und bleibt immer noch: "die wahrheit is auffem platz!"


PS
ein typisch deutsches "aber" kann ich mir dann - auch angesichts der aktuellen "bäh, die doofen italiener, die haben unseren super frings angeschwärzt. ich schmeiss meine pizza weg"-diskussion doch nicht verkneifen: bei aller begeisterung sollte man nicht vergessen, worauf einer meiner italienischen lieblingsspieler, der kämpfer und klotz vor der abwehr, gennaro gattuso, gestern nochmal hingewiesen hat: "es ist doch nur ein fußballspiel."